Entropievernichtung und Selbstbeschleunigung in Navier-Stokes-Strömungen

Gerhard Bruhn, Technische Universität Darmstadt

g.w.bruhn@t-online.de

W.M. Bauer behauptet in seinem von den Gläubigs dieser Welt hochgeschätzten Buch [1] wiederholt, der Dissipationsterm der Navier-Stokes-Gleichungen könne sich in gewissen Fällen auf die Strömung auch beschleunigend auswirken. Er und seine Anhänger bezeichnen diesen Effekt auch als "Selbstbeschleunigung von Wirbeln" und begründen den Effekt mit der sagenumwobenen "Entropievernichtung" z.B. in Tornados, die in den Augen der "Schulwissenschaft" schlicht eine Verletzung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik darstellt.

Wir wollen der Frage nach Existenz oder Nichtexistenz von "Selbstbeschleunigung" und "Entropievernichtung" im Folgenden nachgehen. Dabei starten wir mit den Hauptsätzen der Mechanik für ein beliebiges von der Strömung mitbewegtes Volumen eines idealen Gases (konstanter spezifischer Wärmen),

-         dem Massenerhaltungssatz

-         dem Impulssatz und

-         dem Energiesatz.

Diese Sätze werden in Abschnitt 1 mit mathematischen Standard-Regeln von der ursprünglichen Integralform in Differentialgleichungen verwandelt. Der Massenerhaltungssatz dient als Kontinuitätsgleichung nur zu Eliminationszwecken. Interessant ist der Energiesatz. Der beschreibt, wie sich die Summe von mechanischer kinetischer und thermodynamischer innerer Energie des Gases unter dem Einfluss der wirksamen Kräfte ändert. Wir aber sind nicht an der Summe, sondern an der genauen Aufteilung auf beide Energieformen interessiert. Hier hilft der Impulssatz, aus dem in einfacher Weise ein Energiesatz allein für die kinetische Energie gewonnen werden kann. Differenzbildung liefert daher sofort auch das Verhalten der inneren Energie des Gases. (Abschnitt 2)

Dieser thermodynamische Energiesatz weist neben dem Standard-Austauschterm zwischen beiden Energieformen, nämlich Erwärmung bei Kompression, Abkühlung bei Expansion, noch einen weiteren, aus der Viskosität des Gases herrührenden Term D auf. Man erkennt sofort, dass D>0 eine Erwärmung des Gases zu Lasten seiner kinetischen Energie bewirkt, kurz gesagt also eine Umwandlung von kinetischer Energie in Wärme, während der entgegengesetzte Fall D<0 gerade umgekehrt eine Umwandlung von Wärmeenergie des Gases in kinetische Energie bewirkt. Das ist der gesuchte Effekt der "Selbstbeschleunigung" des Gases aus seiner Wärmeenergie heraus, wohlgemerkt unter der Bedingung D<0. Außerdem zeigt sich, dass "Selbstbeschleunigung" und "Entropievernichtung" einander wechselseitig bedingen. Das Kriterium für beide Effekte ist die Bedingung D<0.

Daher bleibt in Abschnitt 3 zu untersuchen, ob der Fall D<0 bei einer realen Strömung eines viskosen idealen Gases auftreten kann. Dies geschieht mit Hilfe einfacher Abschätzungen der entscheidenden Größe D.

Es sei hier noch betont, dass der 2. Hauptsatz der Thermodynamik in keiner Weise in unsere Überlegungen eingeflossen ist. Die Entscheidung, ob "Entropievernichtung" realisierbar ist oder nicht, ist allein eine mathematische Konsequenz aus den drei genannten Hauptsätzen der Mechanik ohne Bezugnahme auf den 2. Hauptsatz.

Die soeben skizzierten Überlegungen sind, obwohl von einfacher Struktur, in mathematischer und physikalischer Hinsicht etwas anspruchsvoller. Damit dennoch die Verständlichkeit einigermaßen gewährleistet ist, wurden die erforderlichen mathematischen Standardumformungen als Regeln in den Anhang M ausgelagert, desgleichen können die wenigen benötigten physikalischen Grundlagen in Anhang P und Anhang T nachgelesen werden. Die Regeln und Begriffe werden im fortlaufenden Text als "Black Boxes" eingesetzt, ohne dass der Leser über die Einzelheiten und Hintergründe der jeweiligen Regel detailliert informiert sein müsste. Es werden vom Leser passive Mathematik-Kenntnisse etwa auf dem Niveau des Ingenieur-Nachschlagewerkes [5] erwartet. Der Leser mache sich dazu klar, dass man von einem Autofahrer heutzutage auch nicht erwartet, dass er dazu die Kenntnisse eines Automechanikers mitzubringen habe, wie von dem Benutzer eines Fernsehgerätes nicht angenommen wird, dass der zuvor Physik oder Elektrotechnik studiert hätte. In vielen Fällen haben wir uns im täglichen Leben an die Benutzung von "Black Boxes" gewöhnt, und so ist auch die Handhabung der Regeln und Begriffe zu sehen. Natürlich wird niemand gehindert, sich über die Hintergründe zu informieren, aber das hat mit unserem Thema (fast) nichts zu tun; zum Verständnis der Hintergründe werden in den Anhängen Anmerkungen gemacht.

1. Die Grundgleichungen der Strömungsmechanik

Physikalischer Ausgangspunkt der Strömungsmechanik sind die drei Hauptsätze der Mechanik, die Beschreibungen der zeitlichen Änderungen der drei physikalischen Grundgrößen Masse, Impuls und Energie.

Für die Masse gilt im zu diskutierenden Fall der Erhaltungssatz: Die Masse in jedem massenfesten Volumen G(t) bleibt zeitlich unverändert:

Hieraus folgt nach M5 die Kontinuitätsgleichung

Die zeitliche Änderung des im massenfesten Volumen G(t) enthaltenen Impulses ist nach Newton gleich der Summe der auf G(t) wirkenden Kräfte, der äußeren Kraft auf die Volumenelemente dx, sowie die auf die Oberflächenelemente do des Randes wirkenden Kräfte, die Druckkraft -pn do und die Viskositätskraft (Tn)do (Tn verstanden als Matrizenprodukt der symmetrischen Viskositätsmatrix T mit dem dahinter stehenden Spaltenvektor n) also:

Zieht man die Regel M6 für die linke Seite und die Regel M7 für das letzte Integral rechts heran, so folgt

für jedes massenfeste Volumen G(t), und das ergibt nach M2 die Differentialgleichung

.

Schließlich ist noch der Energiesatz zu formulieren. Hier hat man als Energieinhalt von G(t) neben der kinetischen Energie auch den Wärmeinhalt des Volumens G(t) in Gestalt seiner inneren Energie zu berücksichtigen, während als Arbeitsleistung genau die beim Impulssatz berücksichtigten Kräfte, die äußere Kraft und die auf die Oberflächenelemente do des Randes wirkenden Kräfte -pn do und Tndo= (Tn)do , bei der Bewegung w eine Arbeitsleistung (Leistung = Kraft ·Weg / Zeit = Kraft · w) erbringen. So ergibt sich mit (Tn und Tw verstanden als Matrizenprodukt der symmetrischen Viskositätsmatrix T mit dem dahinter stehenden Spaltenvektor)

,

oder bei Übergang zu Volumenintegralen mit dem Gaußschen Satz

,

was nach Regel M2 zu der Differentialgleichung

führt.

2. "Selbstbeschleunigung" und "Entropievernichtung"

Die Gleichungen (1.3) und (1.3') beschreiben den Einfluss der am System G(t) erbrachten Leistung der wirkenden Kräfte, wobei die mechanische kinetische Energie und die thermodynamische innere Energie als Summe betroffen sind. Wie sich diese Wirkung auf die beiden Anteile verteilt, ist aus den obigen Gleichungen nicht zu ersehen.

Aber der Impulssatz (1.2') ermöglicht eine Aussage über die kinetische Energie allein: Skalarmultiplikation mit w, d.h. Multiplikation mit der Matrix wT (= Zeilenvektor) von links ergibt wegen der Identität die Gleichung

die man als mechanischen Energiesatz ansehen kann, weil die (thermodynamische) innere Energie nicht vorkommt. Dieser beschreibt die zeitliche Änderung der kinetischen Energie allein unter dem Einfluss der äußeren Kraft, dem Druckgradienten und der Viskosität.

Weil man nun sowohl das Verhalten der Gesamtenergie wie auch das des mechanischen Anteils kennt, kann man daraus auf den thermodynamischen Anteil allein schließen. Subtraktion der Gleichung (2.1) vom Energiesatz (1.3') eliminiert die kinetische Energie und liefert

Hier kann noch mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung (1.1') eliminiert werden:

Die Änderung der inneren Energie besteht aus zwei Teilen. Der erste, , besagt, dass eine Verringerung des spezifischen Volumens, eine Kompression, zu einer Erhöhung der inneren Energie und wegen e=e(T) auch zu einer Temperaturerhöhung führt, während eine Expansion die Temperatur absenkt, ein wohlbekannter "normaler" Effekt (Fahrradpumpe). Der zweite Anteil ist hochinteressant. Denn, so erinnern wir uns, geht es ja um die Aufteilung der gesamten dem Volumen G(t) zufließenden Leistung.

Im Fall D>0 würde also die Erwärmung des Gases durch D verstärkt werden zu Lasten der kinetischen Energie. Aber, jetzt kommt der Clou für alle Selbstbeschleuniger, im Fall D<0 würde umgekehrt die Erhöhung der inneren Energie gebremst werden zu Gunsten einer entsprechenden Zunahme der kinetischen Energie. Das würde effektiv heißen, dass im Fall D<0 eine Umwandlung des Betrages |D| von Wärme des Gases in kinetische Energie stattfände. Wir wollen hier von "Selbstbeschleunigung" des Gases sprechen.

Unter Verwendung der Entropiedefinition der Thermodynamik lässt sich Gleichung (2.2) mit Hilfe von D umschreiben in

Diese Gleichung besagt nun aber, dass die "Selbstbeschleunigung" um |D| = -D >0 eine entsprechende Entropieabnahme nach (2.3) bedeutet: Es findet "Entropievernichtung" statt:

"Selbstbeschleunigung" und "Entropievernichtung" sind die zwei Seiten derselben Medaille.

3. Kann es "Entropievernichtung" und "Selbstbeschleunigung" geben?

Um die gestellte Frage zu beantworten, müssen wir uns mit den Eigenschaften der Größe

beschäftigen. Dazu muss die "Viskositätsmatrix" T spezifiziert werden. In der Kontinuumsmechanik [2] S.41, [3] S.16 ff. und [4] Bd. II / S. 241-255 wird dargelegt, dass die Spannungen in einem Kontinuum durch Verzerrungen, also Bewegungsunterschiede zwischen benachbarten Punkten zustande kommen. Deshalb ist es verständlich, dass T eine aus den ersten Ableitungen des Geschwindigkeitsvektors aufgebaute Matrix ist. Nach Literatur [2] S.41, [3] S.16 ff. wird für T unter Verwendung der Summationskonvention der folgende Ansatz verwendet:

Dabei bezeichnet die Einheitsmatrix, ferner ist und die Viskositätskoeffizienten sind (näherungsweise) konstant und genügen den Bedingungen In [4] Bd. II / S. 254-255 wird nur der Fall behandelt. Dort finden sich auch Zahlenangaben zur Größe der Viskositätskoeffizienten in verschiedenen Medien.

Wir berechnen in Abschnitt 1 auftretende wichtige T-abhängige Größen:

mit dem Delta-Operator somit

Einsetzen in (1.2) ergibt die bekannte Navier-Stokes-Gleichung

wie sie bei den Newtonschen Fluiden zu Grunde gelegt wird, vgl. [2] S.42, [3] S.87 ff. und der Spezialfall in [4] Bd. II / S. 255-258 und in [1] Heft 4/S.10.

Die zweite wichtige T-Größe regelt nach Abschnitt 2 den Zusammenhang zwischen Mechanik und Thermodynamik, die Größe . Wir erhalten bei Anwendung der Produktregel auf den ersten Summanden

Einsetzen von (3.1) ergibt dann


Nun ist aber die Doppelsumme unabhängig von der Benennung der Summationsindizes, infolgedessen

und somit

daher schließlich

An dieser Darstellung erkennt man, dass D zumindest für eine Summe nichtnegativer Summanden ist. Wegen

ist also in diesem Fall keine "Entropievernichtung", und also auch keine "Selbstbeschleunigung" möglich. Aber für alle "Selbstbeschleuniger" besteht noch Hoffnung: Der Fall ist noch nicht entschieden!

Dazu schreiben wir die obige Summe ausführlich:

und können bei Weglassung der nichtnegativen Summanden der ersten Zeile abschätzen:

Wegen kann hier durch den kleineren Wert ersetzt werden:

Durch Ausquadrieren der rechten Klammer erhält man weiter

Damit gilt auch in dem noch offen gebliebenen Fall

Andererseits liefert die spezielle Strömung den Wert

,

so dass D>0 für bei beliebiger Strömung nicht möglich ist.

Wir fassen das für alle "Selbstbeschleuniger" und "Entropievernichter" enttäuschende Ergebnis zusammen:

Ergebnis. Für Viskositätskoeffizienten ist keine "Selbstbeschleunigung" und keine "Entropievernichtung" möglich. Es gilt stets

D.h. die Entropie s kann längs der Teilchenbahnen (Substanz-Linien) nicht abnehmen. Die Bauersche "Entropievernichtung" ist daher bei Gültigkeit der Navier-Stokes-Gleichungen mit den angegebenen Zähigkeitskoeffizienten nicht möglich.

Zusatz. Das Auftreten von Stößen wurde hier nicht behandelt. Mathematisch gestatten die einschlägigen Rankine-Hugoniot-Stoßgleichungen Stöße mit Entropie-Zuwachs wie auch mit Entropie-Abnahme. Aber Stöße mit Entropie-Abnahme sind in der überreichen experimentellen Praxis nie beobachtet worden.

Anhang M. Mathematische Hilfsmittel

M0. Wichtige Abkürzungen und Symbole

Der Ortsvektor x wird fett geschrieben, dagegen bedeutet dx mit magerem x das Volumenelement der Integration: dx = dx1 dx2 dx3 .

Der Geschwindigkeitsvektor ist w mit den Komponenten wk .

Partielle Ableitungen nach den Koordinaten xk und der Zeit t werden mit abgekürzt. bezeichnet den Spaltenvektor der partiellen Ortsableitungen. kann als formaler Vektor Skalarprodukte bilden, z.B.

-         die Divergenz

-         den Delta-Operator

-         die Richtungsableitung , die in der Substanzableitung auftritt.

Der Ableitungsoperator tritt in zwei Bedeutungen auf:

1.      Vor Integralen, die wegen massenfestem Integrationsbereich G(t) nur noch von der Zeit t abhängen, bedeutet einfach die Zeitdifferentiation.

2.      Vor Funktionen f(x,t) bedeutet die sogenannte Substanzableitung, d.h. die Ableitung nach t unter der Voraussetzung, dass vor der Differentiation die Variable x durch eine Substanzlinie x(t), d.h. eine Lösung der Differentialgleichung der Bahnkurven ersetzt wurde.

Dann gilt als Verallgemeinerung der Kettenregel auf den hier vorliegenden (3+1)-dimensionalen Raum

Dafür wird häufig auch kurz geschrieben.

M1. Vektoren und Matrizen.

Weil bei Berücksichtigung von Reibung oder Viskosität des strömenden Mediums die Matrix , der "Viskositätstensor", eine große Rolle spielt, reicht die in der reibungsfreien Strömungsmechanik sonst übliche Vektorrechnung nicht mehr aus. Eine Möglichkeit, den formalen Anforderungen gerecht zu werden, besteht in der Verwendung der Matrizenrechnung an Stelle der Vektorrechnung. Dabei wird vereinbart, dass alle auftretenden Vektorsymbole als Spaltenvektoren im Sinne der Matrizenrechnung verstanden werden. Für den Vektor a = (ai) ist der Index i demnach der Zeilenindex. Zeilenvektoren werden aus Spaltenvektoren durch Spaltenvektoren durch Transposition ("Stürzen") erzeugt: Stürzen des Spaltenvektors a = (ai) ergibt den Zeilenvektor aT, erneutes Stürzen führt wieder zu a  zurück:

aTT =( aT) T= a.

Das Skalarprodukt der Vektoren a,b lässt sich in der Matrizenrechnung als aTb oder auch als

bTa schreiben:

.

Weitere Regeln für "zueinander passende" Matrizen A, B:

(A + B)T= A T + B T und (A B)T= B T A T.

Die Matrizenrechnung bietet, wie die Vektorrechnung, den Vorteil der Übersichtlichkeit: Ein ganzes Zahlenfeld wird durch einen einzigen Buchstaben abgekürzt. Gelegentlich wird aber die i.a. nicht erlaubte Vertauschung von Faktoren in Produkten lästig, die ja für Zahlen, nicht aber für Matrizen, uneingeschränkt zur Verfügung steht. In solchen Fällen bedient man sich des Ausschreibens der Vektoren und Matrizen mit den in ihnen vorkommenden Zahlen.

Beispiel: Für die Matrizen A = (aij) und B = (bjk) ist das Matrizenprodukt die Matrix (cik) mit , wofür abgekürzt unter Fortlassung des Summenzeichens einfach geschrieben wird, indem man vereinbart, das über gleichlautende Indizes in Produkten automatisch summiert wird, und das auch dann, wenn die Summationsindizes nicht mehr unmittelbar nebeneinander stehen. (Einsteinsche Summationskonvention).

.

Auf diese Weise ist die Kommutativität der Zahlenmultiplikation wieder voll nutzbar. Der Nachteil ist nun allerdings, dass man ohne Übung leicht die Übersicht verliert.

Um die Vorteile der jeweiligen Schreibweisen voll ausnutzen zu können, wechselt man in der Praxis gelegentlich mitten in einer Rechnung unkommentiert die Schreibweise.

Noch eine Bemerkung zur Einheitsmatrix Ausgeschrieben ist E hier für 3 Raumdimensionen darstellbar durch die Diagonalmatrix

Für alle zu E passenden Matrizen A,B gilt AE = A und EB = B. Dem entsprechen die Regeln

M2. Die Ungleichung zwischen den stetigen Funktionen besteht genau dann, wenn die Volumenintegrale für jeden Bereich G derselben Ungleichung

genügen. Es lässt sich sehr leicht einsehen, dass man in dieser Regel überall ersetzen darf. Ferner gilt auch für jeden Bereich G genau dann, wenn überall Null ist.

M3. Der Gaußsche Satz

(1)

(2)

(3)

gilt für beschränkte Bereiche G mit stückweise glatter Berandung . Dabei heißt eine Fläche glatt, wenn sie überall einen Normalenvektor n besitzt, der auf der Fläche stetig ist. Die Größe soll hier eine skalare Funktion, ein Vektor oder eine Matrix mit stetigen Ableitungen sein.

M4. Die Leibnizsche Differentiationsregel für die Zeitableitung von Volumen-Integralen über mitgeführte Bereiche G(t). (vgl. die eindimensionale Differentiationsregel für parameter­abhängige Integrale in [5], S. 349.)

Sei ein Geschwindigkeitsfeld mit stetigen partiellen Ableitungen und , und habe die skalare oder vektorische Funktion gleichfalls stetige partielle Ableitungen und . Sei ferner G(t) ein von der Strömung mitgeführter ("massenfester") Bereich mit stückweise glatter Berandung wie in M3. Dann gilt die Differentiationsregel

.

Diese Differentiationsregel hat zwei wichtige Konsequenzen für Strömungen mit Massenerhaltung:

M5. Bleibt die in jedem massenfesten Volumen G(t) enthaltene Masse zeitlich konstant, gilt also stets, so spricht man von einer Strömung mit Massenerhaltung. Für diese liefert die Leibnizregel

oder bei Anwendung des Gaußschen Integralsatzes auch

für jedes massenfeste Volumen G(t), was nach Regel M2 die Gleichung nach sich zieht, die unter Verwendung der Produktregel für den zweiten Summanden und Einführung der Substanzableitung auch in der Form

geschrieben werden kann. Man bezeichnet diese Gleichung auch als Kontinuitätsgleichung.

M6. Sei eine Strömung mit Massenerhaltung, also mit erfüllter Kontinuitätsgleichung und . Dann gilt wegen M5 die Regel für massenfeste Differentiation

mit der Substanzableitung .

M7. Für eine beliebige symmetrische Matrix T lässt sich das Randintegral mit Hilfe der Matrizenregeln umformen:

Auf das Integral rechts ist die Regel 3 des Gaußschen Satzes anwendbar:

Dabei wurde die Vertauschbarkeit von Integration und Transposition benutzt.

Anhang P. Physikalische Grundlagen

P1. Der Massen-Erhaltungssatz

Bei Abwesenheit von Massen-Quellen und Senken in einem Volumen G bleibt die Masse M in G zeitlich unverändert:

P2. Der Impulssatz

Die zeitliche Änderung des Impulses J eines Systems ist gleich der Summe der wirksamen Kräfte Fk:

Besteht das System aus gekoppelten Massen mk mit den Einzelgeschwindigkeiten wk , so ist der Impuls des Systems gegeben durch . Bei einem kontinuierlichen System stehen an Stelle der Summenzeichen Integrale über das System.

P3. Der Energiesatz

Die zeitliche Änderung des Energie E eines Systems ist gleich der Summe der von den wirksamen Kräften Fk am System erbrachten Leistungen Lk:

Bei einer Geschwindigkeit wk wird von der Kraft Fk die Leistung Lk = Fk · wk erbracht. Bei einem kontinuierlichen System steht an Stelle der Summe das Integral über die erbrachten Leistungen.

P4. Eine schwingende Masse mit Dämpfung

Eine an einer Feder befestigte Masse m erfährt bei kleiner Auslenkung aus der Ruhelage x=0 eine zur Auslenkung x proportionale Rückstellkraft F = - c·x. Außerdem sei ein Dämpfungsglied ("Stoßdämpfer") vorhanden, welcher eine Dämpfungskraft produziert. Hierbei sei die gerade vorhandene Geschwindigkeit von m und r>0 bezeichne die Dämpfungskonstante. Die Newtonsche Bewegungsgleichung lautet in diesem Fall

Außerdem gibt es eine Gesamtenergie E, die Summe von Wärme und Federenergie, das Analogon zur inneren Energie. Der Energiesatz besagt, dass die Summe von E und der kinetischen Energie sich als Gesamtenergie zeitlich nicht ändern kann:

Das weitere Vorgehen entspricht dem Übergang von (1.3) zu (2.1), es handelt sich um eine Standard-Methode: Man multipliziert die Bewegungsgleichung mit , das Resultat lässt sich umschreiben zu

und subtrahiert (P4.3) von (P4.2). Das Ergebnis ist die Änderung der inneren Energie E allein:

Man erkennt: Ohne Dämpfungsglied (r=0) hätte man die normale ungedämpfte Federschwingung mit , bei der E um einen Mittelwert oszilliert. Das Dämpfungsglied bewirkt für r>0 einen ständigen Zuwachs von E, und daher wegen (P4.2) eine ständige Abnahme der kinetischen Energie. Es wird ständig kinetische Energie in innere Energie (sprich Wärme) umgewandelt, und dieser Prozess ist wegen irreversibel. Der umgekehrte Vorgang, der für r<0 Wärme in Zuwachs von kinetischer Energie verwandeln würde, ist den Physikern bis heute nicht begegnet: Es gibt keine "inversen" Stoßdämpfer, der Fall r<0 ist bisher nirgends (weder in der Technik noch in der Natur) realisiert worden.

Man beachte hier die Rolle des Dämpfungsterms, der wegen die kinetische Energie zeitlich verringert. Er entspricht genau dem Term in (2.2), nur ist dessen Bremswirkung wegen der Komplexität des Ausdrucks nicht offensichtlich.

 

P5. Kontinuumsmechanik

Die Matrix setzt sich aus zwei Anteilen zusammen:

Anteil 1 ist proportional zu der symmetrischen Matrix

welche die Verzerrungen sämtlicher Komponenten von in sämtlichen Koordinatenrichtungen in symmetrischer Weise beschreibt. Die außerhalb der Hauptdiagonale stehenden Einträge verschwinden für Strömungen mit rot w = 0, d.h. diese Einträge messen die Abweichung von einer rotationsfreien Strömung.

Anteil 2 ist proportional zu der Diagonalmatrix , wobei der Faktor div w die Abweichung von einer inkompressiblen Strömung beschreibt; für diese ist div w = 0 charakteristisch.

Folgerung 1. Strömungen mit für alle i,k , z.B. Festkörperbewegungen, erfüllen div w = 0 und liefern deshalb auch B = O. Auch A ist die Nullmatrix. Es folgt T = O und D = 0.

Folgerung 2. Für divergenzfreie Strömungen entfällt wieder der B-Anteil. Somit ist für

Bemerkung: Bei zusätzlicher Rotationsfreiheit ist der Anteil für sich Null und demnach :

Anhang T. Thermodynamik idealer Gase konstanter spezifischer Wärmen

T1. Größen

p Druck

r Massendichte

T Temperatur

s Entropie der Masseneinheit

i Enthalpie der Masseneinheit

cp spezifische Wärme der Masseneinheit bei konstantem Druck

cv spezifische Wärme der Masseneinheit bei konstantem Volumen (konstanter Dichte)

k = cp / cv Verhältnis der spezifischen Wärmen

T2. Beziehungen für ideale Gase konstanter spezifischer Wärmen

Zustandsgleichung

Innere Energie

Enthalpie

Entropie allgemein

speziell für ideale Gase

konst. spez. Wärmen

Literatur

[1] Wilhelm M. Bauer, Die Welt der Wirbel und Atome, Bde. I+II, DELTA PRO DESIGN VERLAG, Berlin 1997, ISBN 3-980 5355-2-5 und 3-980 5355-3-5

[2] K. Wieghardt, Theoretische Strömungslehre, Teubner 1974

[3] J. H. Spurk, Strömungslehre, 3. Auflage, Springer 1993, ISBN 3-540-55077-1

[4] N. J. Kotschin, I. A. Kibel, N. W. Rose, Theoretische Hydromechanik Bde. I+II, Akademie-Verlag Berlin 1954

[5] Bronstein - Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik, 18.Auflage, H. Deutsch Verlag, 1979, ISBN 3-87144-016-7