von G.W. Bruhn, Fachbereich Mathematik der TU Darmstadt
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K. Meyl führt in seiner "Objektivitätstheorie" [1] (Kommentare dazu s. [2]) die Lorentz-Kraft und das Dual von (1)
E = v × B 1) (1)
H = - v × D 2) (2)
auf M. Faraday 3) zurück. Er glaubt, "dass Maxwell mit seiner Formulierung des Induktionsgesetzes rot E = - Bt das ursprüngliche, von Faraday entdeckte Gesetz (1) eingeschränkt hat und daher die Maxwellgleichungen nur einen Sonderfall der beiden Transformationsgleichungen (1) und (2) beschreiben."
1) Diese Formel für die von
einem Magnetfeld auf eine bewegte elektrische Ladung ausgeübte Kraft wurde 1895
von H.A. Lorentz (1853-1928) veröffentlicht und wird heute als Lorentz-Kraft
bezeichnet. Die zwischen Magnetfeld und Strom, also nach späterer
Erkenntnis bewegten elektrischen Ladungen,
wirksamen Kräfte wurden schon viel früher von A. M. Ampère (1775-1836)
beschrieben.
2) H.A. Rowland (1848-1901),
Physik-Professor in Baltimore, wies 1875
nach, dass ein bewegtes elektrisches Feld ein magnetisches Feld erzeugt.
Dass ein Strom, also nach späterer Erkenntnis bewegte elektrische Ladungen, ein
Magnetfeld erzeugt, ist bereits Inhalt des Biot-Savartschen Gesetzes von 1820.
3) Das auf M. Faraday (1791-1867) zurückgehende
Induktionsgesetz von 1832 ist im Gegensatz zu den oben erwähnten Gesetzen instationärer
Natur: Die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch ein
Flächenstück induziert entlang seines Randes ein elektrisches Feld.
Wir werden im
folgenden sehen: Bei Gültigkeit der beiden
Transformationsgesetze (1) und (2) gelten stets auch die Maxwell-Gleichungen.
Seien in dem ruhenden System S die Felder B = μH, D = εE wirksam. Dann erscheinen in dem mit der Geschwindigkeit v gegen S bewegten System S' zusätzlich die durch die Gln. (1), (2) definierten Kräfte. D.h. zwischen den in S' und S wirksamen Feldern (E', H') und (E, H) bestehen die Transformationsgleichungen
E' = E + Ezus = E
+ v
× μ H (3)
und
H' = H + Hzus = H - v × ε E. (4)
Man kann nun die
Sicht umkehren: Von S' aus gesehen bewegt sich S mit der Geschwindigkeit -v.
Also, wenn man in dem gegen S' mit -v bewegten System S die Kräfte E,H misst, müssten diese wiederum nach den Gleichungen (3,4)
berechnet werden können, wenn man dabei noch v durch -v ersetzt. Es müsste also gelten
E = E' - v × μ H' (3')
und
H = H' + v × ε E' (4')
Mit dieser "Auflösung" der Gleichungen (3,4) kann man die "Einsetzprobe" machen, also (3',4') in (3,4) einsetzen. Dabei ergibt sich
E' = E' - v × μ H' + v × μ (H' + v × ε E') = E' + v × μ (v × ε E')
und
H' = H' + v × ε E' - v × ε (E' - v × μ H') = H' + v × ε (v × μ H')
Die
Berücksichtigung der Gleichung εμ = c-2 führt auf
E' = E' + v/c × (v/c × E') und H' = H' + v/c × (v/c × H').
Man sieht, die Einsetzprobe
ist nicht ganz
"aufgegangen",
aber die Fehler sind ~ (v/c)2,
also sehr klein, wenn die Relativgeschwindigkeit v klein gegen die
Lichtgeschwindigkeit ist. (Bei Schall in Luft hat (v/c)2 die
Größenordnung 10-12) Daraus
ist zu schließen, dass die Transformationsformeln für "langsame"
Relativgeschwindigkeiten v brauchbar, bei Annäherung an die
Lichtgeschwindigkeit aber noch korrekturbedürftig sind. (Diese Korrektur
erfolgt im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie.)
Für das folgende können wir von den Gleichungen (3'),(4') ausgehen. Wir wählen jetzt das System S' so, dass die Felder E', H' in S' zeitunabhängig sind.
Das geht natürlich nicht global! Aber die Welt lässt sich in endlich viele Teile zerlegen, deren jeder gegen die anderen irgendwelche Relativgeschwindigkeiten hat. Dann kann man zunächst jeden dieser Teile separat betrachten, die Maxwell-Gleichungen wie unten herleiten und am Ende lassen sich, weil die Maxwell-Gleichungen linear sind, alle Teilsysteme wieder zu einem Gesamtsystem zusammensetzen, das dann gleichfalls den Maxwell-Gleichungen genügt.
Für geeignete Teilsysteme S' gelten somit die Gesetze der Elektro- und Magneto-Statik, d.h. man hat
ε div' E' =
ρ und rot' E' = 0 (5a,b)
sowie
μ div' H' = 0
und rot' H' = 0. (5c,d)
Dabei bedeuten die Apostrophs an div'
und rot', dass diese Operationen bezüglich der in S' gültigen Koordinaten x'
auszuführen sind, die mit den x-Koordinaten durch die Galilei-Transformation
x' = x - v t mit v = v e
verbunden sind. Es ist klar, dass bei der (für v << c gültigen) Galilei-Transformation
div' = div, rot' = rot und ∇' = ∇
gilt (Kettenregel, bei der Lorentztransformation würden hier Faktoren anfallen.)
Komplizierter ist die Transformationsregel für Zeitableitungen der durch
F(x,t) = F'(x',t) mit x' = x-v t, x = x'+v t
verbundenen Funktionen. Nach Kettenregel erhält man hier:
(v . ∇ F + Ft)(x,t) = F't
(x',t). (6a)
Insbesondere gilt bei Zeitunabhängigkeit von F', F' = F'(x’),
(v . ∇ F + Ft)(x,t) = 0. (6b)
Es sind jetzt der Reihe nach die Maxwell-Gleichungen (5 a-d) für das System S zu überprüfen:
Das ist sehr leicht für die beiden Divergenz-Gleichungen, wir erhalten mit (3'):
ε div E = ε div [(E' - v
× μ H')(x-vt)]= ε div' [E' - v × μ H']
= ρ - ε ∇' . [v × μ H'] = ρ + μ ε v . [ ∇' × H'] = ρ + μ ε v . 0 = ρ (5a')
und
analog mit (4')
μ
div H = μ div [(H' + v × ε E')(x-vt)] = μ div' [H' + v × ε E']
= 0 + μ ∇' . [v × ε E'] = 0 - μ ε v . (∇' × E'] = 0 + με v . 0 = 0. (5c')
Etwas umständlicher verläuft die Rechnung für die zwei verbliebenen Maxwell-Gleichungen:
Wir rechnen im ruhenden System S die Rotation von E aus: Aus (3') folgt
rot E = ∇ × E =
∇' × (E' - v
× μ H')
= rot' E'
- ∇' × (v × μ H')
= 0
- μ (v ∇' . H' - v . ∇' H') = 0 - μ (v 0 - v . ∇' H')
Wir haben also das Zwischenergebnis
rot E
= μ v .∇' H' =
μ v . ∇ H'(x-vt).
Weil H' bei konstantem x' = x-vt konstant bleibt, kann hier v . ∇ [H'(x-vt)] nach Regel (6b) durch eine Zeitableitung ersetzt werden:
rot E
= μ v . ∇ [H'(x-vt)] = - μ [H'(x-vt)]t.
Aber wegen (4') erhält man
μ [H'(x-vt)] t = μ {Ht - ε v × [E'(x-vt)]t }
= μ Ht + μ ε v × (v . ∇' E')
= μ Ht + v/c × (v/c . ∇' E')
unter Benutzung von με = c-2 . Man erkennt, dass der Zusatzterm v/c × (v/c . ∇' E') ~ (v/c)2, also ein Term zweiter Ordnung in v/c ist. Unter Vernachlässigung von Termen zweiter Ordnung haben wir mithin
rot E
= - μ Ht, (5b')
das ist die vorletzte
Maxwell-Gleichung, die wir aus den Transformations-Gleichungen hergeleitet
haben.
Analog kann man auch die
letzte Maxwell-Gleichung in Angriff nehmen: Nach (4') erhält man im
ruhenden System S für die Rotation
von H,
rot H = ∇ × H = ∇' × [H' + v × ε E']
= rot' H' + ∇' × [v
× ε E']
= 0 + ε [ ∇' .
E' v - v . ∇' E']
= 0 + ε [ ρ v - v . ∇' E'],
damit also mit der Stromdichte j = ρv das Zwischenergebnis
rot H = j - ε v . ∇' E'.
Die Anwendung der Regel (6b) auf v . ∇' E' = v . ∇ [E'(x-vt)] liefert
rot H = j - ε v . ∇ [E'(x-vt)] = j
+ ε [E'(x-vt)]t.
Hier kann nun wieder E' nach (3') ersetzt werden, es folgt
rot H = j + ε Et + v × με [H'(x-vt)]t
oder wegen με = c-2 und weil nach Regel (6b) [H'(x-vt)]t = - v . ∇ [H'(x-vt)] gilt, folgt schließlich
rot H = j + ε Et - v/c × (v/c . ∇ [H'(x-vt)]),
das ist bis auf Terme zweiter Ordnung in v/c die letzte Maxwell-Gleichung
rot H =
j + ε Et.
(5d')
Schlussbemerkung. Was hier eigentlich gezeigt
wurde, war, dass die Maxwell-Gleichungen (5a'-5d') gegen die
Galilei-Transformationen bis auf Terme 2.Ordnung in v/c invariant sind, wenn
man zu ihrer Transformation die Formeln (1) und (2) verwendet. Dann erhält man,
von einem Ruhesystem S’ ausgehend, für jedes dazu bewegte System S die gleiche
Form der Maxwell-Gleichungen. Zugleich folgt, weil die Galilei-Transformationen
für größere Relativ-Geschwindigkeiten durch die Lorentz-Transformationen
ersetzt werden müssen (und jede Lorentz-Transformation sich aus infinitesimalen
Galilei-Transformationen durch Integration zusammensetzen lässt), dass die
Maxwell-Gleichungen auch gegen die Lorentz-Transformationen invariant sind.
Referenzen
[1] K. Meyl, Objektivitätstheorie,
http://www.k-meyl.de/Aufsatze/Objektivitatst._1/objektivitatst._1.html
[2] G. Bruhn, Kommentar zu Meyls Objektivitätstheorie
http://www2.mathematik.tu-darmstadt.de/~bruhn/OBJEKT~1.HTM