Widerlegung einer Behauptung von E. Friebe und K. Meyl
von Gerhard W. Bruhn, Fachbereich
Mathematik der TU Darmstadt
K. Meyl [2] wie schon vor ihm E. Friebe [1]
vertreten die Ansicht, die bei R.W. Pohl [3] gefundenen Gleichungen
(1) H
= εo E × u
(2) E = μo u × H
seien die eigentlichen Grundgleichungen der Elektrodynamik an Stelle der Maxwell-Gleichungen
(3) εo Et = rot H
(4) μo Ht = - rot E
Sie behaupten weiter, dass sich aus den Friebe-Meyl-Gleichungen (1),(2) die Maxwell-Gleichungen "durch Rotor-Operation" herleiten ließen. E. Friebe wie K. Meyl versuchen sich sogar an einem - allerdings fehlerhaften - Beweis (s. [2] und [4], (16)-(17)) s. Zusatz unten.
Demgegenüber wird hier gezeigt:
1) Die Friebe-Meyl-Gleichungen (1),(2) sind als
Grundgleichungen der Elektrodynamik untauglich, weil sie
a)
nicht dem Superpositionsprinzip der EM-Wellen genügen,
b) es
eine Vielzahl von Maxwell-Lösungen gibt, die den Friebe-Meyl-Gleichungen nicht
genügen, z.B. alle stehenden Wellen.
2) Umgekehrt besitzen die Friebe-Meyl-Gleichungen (1),(2) viele Lösungen, die den Maxwell-Gleichungen nicht genügen. Daher können die Maxwell-Gleichungen weder "durch Rotorbildung" noch auf andere Weise aus den Gleichungen (1),(2) hergeleitet werden.
Vorbemerkung . Für die Verwendung der Gleichungen (1),(2) gibt es eine notwendige Bedingung: Es muss
(5) |u| = c mit der Abkürzung c = (εoμo)–1/2
gewählt werden. Denn eliminiert man mit (1) die Größe H in (2), so folgt
E = εoμo u × (E
× u).
Die Anwendung der Auflösungsregel für das
doppelte Vektorprodukt
a × (b × c) = (a . c)
b – (a . b) c
liefert
E
= εoμo |u|2 E,
was für E ≠ 0 die Bedingung (5) nach sich zieht.
Analog kann im Fall H ≠ 0 verfahren, indem man E eliminiert.
K. Meyl ist in [2] die Notwendigkeit der
Bedingung (5) entgangen. Er glaubt irrtümlich, über |u| frei verfügen zu können.
Beweis Teil 1. Gegen (1),(2) als Grundgleichungen ist sofort einzuwenden, dass sie im Gegensatz zu den Maxwell-Gleichungen (3),(4) das Superpositionsprinzip der elektromagnetischen Wellen nicht erfüllen. So ist zwar mit beliebigem konstantem Eo senkrecht auf u durch
E+ = Eo exp(i u . (x + ut) 2π / cλ), H+ = εo Eo × u exp(i u . (x + ut) 2π / cλ)
eine ebene elektromagnetische Welle der Wellenlänge λ gegeben, die sich mit der Geschwindigkeit -u durch den Raum bewegt und die Gleichungen (1),(2) erfüllt. Doch schon die gegenläufige elektromagnetische Welle
E- = Eo exp(-i u . (x - ut) 2π / cλ), H- = - εo Eo × u exp(-i u . (x - ut) 2π / cλ)
erfüllt die Gleichungen (1),(2) nicht mehr, oder nur noch, wenn man dort zuvor u durch -u ersetzt. Beide Wellen erfüllen aber die Maxwell-Gleichungen (3),(4). Der Leser möge all dies durch Nachrechnen überprüfen. Hoffnungslos wird aber die Situation für (1),(2), wenn man die Überlagerung der beiden gegenläufigen Wellen, die stehende Welle
E = E++E-, H
= H++H-
betrachtet. Diese
Welle erfüllt immer noch die Maxwell-Gleichungen (3),(4), für keine Wahl
von u jedoch die Gleichungen (1),(2).
Beweis Teil 2. Eine Herleitung der Maxwell-Gleichungen aus den Friebe-Meyl-Gleichungen "durch Rotor-Operation" erfordert neben (5) die von K. Meyl und E. Friebe nicht geforderte Zusatzvoraussetzung, dass E und H allein von der Kombination x+ut abhängen. Dies bedeutet anschaulich die Annahme, dass die durch E,H gegebene "Welle" sich mit der Geschwindigkeit -u durch den Raum bewegt.
Ohne diese Zusatzvoraussetzung ist eine Herleitung unmöglich, weil die Gleichungen (1),(2) dann Lösungen besitzen, die nicht Lösungen der Maxwell-Gleichungen (3),(4) sind:
Der Vektor u wird speziell in Richtung e1 der ersten Koordinatenachse gewählt, u = c e1, ferner H = H2 e2 mit beliebiger skalarer Funktion H2 und E gemäß (2) als E = μo u × H, somit
E = μo c e1 × H2 e2 = μo c H2 e3 .
Der Leser möge sich durch Nachrechnen davon überzeugen, dass unsere Wahl
(6) E = μo c H2 e3 , H = H2 e2
bei willkürlich wählbarer Funktion H2 wirklich immer eine Lösung von (1),(2) liefert.
Zu der angekündigten Konstruktion von Nicht-Lösungen der Maxwell-Gleichungen verfügen wir jetzt in (6) über die Funktion H2, wobei wir einen aus Dimensionsgründen eigentlich erforderlichen Maßstabsfaktor der Einfachheit halber unterdrücken:
Wahl 1 H2 = t, daher E = μo c t e3 , H = t e2
Man sieht, dass Et = μo c e3, also εo Et = c-1 e3 ≠ 0 herauskommt, aber offenbar rot H = 0 wegen Ortsunabhängigkeit von H. Die erste Maxwell-Gleichung wird demnach von unserer Wahl 1 verletzt.
Wahl 2 H2 = x1, daher E = μo c x1e3 , H = x1 e2.
Offenbar ist jetzt Et = 0 wegen Zeitunabhängigkeit von E, aber rot H = e3 ≠ 0. Wiederum ist schon die erste Maxwell-Gleichung bei unserer Wahl 2 verletzt.
In dieser Weise lassen sich viele weitere Beispiele konstruieren, welche die Friebe-Meyl-Gleichungen (1),(2), nicht aber die Maxwell-Gleichungen (3),(4) erfüllen.
Quellen
[1] E. Friebe, Die Vektorprodukte der MAXWELL’schen Elektrodynamik (Teil A)
http://ourworld.compuserve.com/homepages/Ekkehard_Friebe/MAXWEL-A.htm
[2] K.
Meyl, Skalarwellen I, NET-Journal 2002/7-8, s. auch in
http://www2.mathematik.tu-darmstadt.de/~bruhn/NJ-Orig.htm
[3] R.W. Pohl, Elektrizitätslehre, Springer Verlag, 20. Auflage (1967)
E. Friebe ([4], (15),(16)) wie K. Meyl halten folgende "Kettenregel" für gültig:
(F-M) ∂F/∂x ∂x/∂t = ∂F/∂t
Meyl gibt als Quelle an:
Bronstein: Taschenbuch der Mathematik, 4. Neuauflage, Thun 1999, S. 652
Die hier betrachteten Felder hängen von x,t als unabhängigen Variablen ab.
Was ist dann ∂x/∂t?
Partielle Ableitung nach t, ∂/∂t, bedeutet Ableitung nach der Variablen t bei Festhaltung der übrigen Variablen, hier also Festhaltung von x. Somit ist
∂x/∂t = 0
Mithin steht in der "Friebe-Meyl-Regel" (F-M)
∂F/∂x · 0 = ∂F/∂t,
somit ergäbe sich das offensichtlich falsche Ergebnis ∂F/∂t = 0.
Die Regel (F-M) muss also falsch sein.
Was wäre denn eine richtige Regel?
Man kann das Feld F(x,t) längs einer "Bahn" betrachten, bei der also die zuvor unabhängige Variable x an t gebunden wird:
x = φ(t),
z.B. x = a sin ωt für eine periodisch mit der Kreisfrequenz ω hin und her schwingende Masse. Während in F(x,t) der Ort x noch unabhängig von t gewählt werden kann, gibt
F(φ(t),t)
den Wert von F längs der Bahn x = φ(t) an. F(φ(t),t) hängt nur noch von t ab.
Wie stark ändert sich F längs der Bahn x = φ(t)? Darüber gibt die Bahn-Ableitung
d/dt F(φ(t),t)
Auskunft. Es gibt nun eine "mehrdimensionale" Kettenregel, welche gestattet, die Ableitung d/dt F(φ(t),t) durch die partiellen Ableitungen ∂F/∂x und ∂F/∂t auszudrücken:
d/dt F(φ(t),t) = [∂F/∂t + dφ/dt ∂F/∂x]x=φ(t)
Die Bahnableitung ist die Summe von Änderung bei festem Ort ∂F/∂t plus der durch die Ortveränderung dφ/dt entstehenden Änderung von F, dφ/dt ∂F/∂x. Damit hier wirklich Gleichheit entsteht muss man natürlich die beiden Summenden längs der Bahn bilden, also nachträglich wieder x durch φ(t) ersetzen, was durch die Indizierung [...]x=φ(t) zum Ausdruck gebracht wird.
Aus dieser Sicht kann man fragen, ob denn die (F-M)-Regel vielleicht in der Form
(F-M)' ∂F/∂x dφ/dt = ∂F/∂t längs x = φ(t)
richtig wäre. Die Beispiele F = x und F = vt zeigen, dass auch dieser Versuch fehlschlägt, aber noch mehr:
Für F(x,t) = x + vt mit konstantem v würde (F-M)' richtig werden, wenn man dφ/dt = v hätte, also für alle Bahnen mit konstanter Geschwindigkeit v.
Noch allgemeiner ist (F-M)' erfüllt für alle Felder der Form F(x+vt), denn man erhält bei Anwendung der eindimensionalen Kettenregel auf F(u), u = x+vt
∂F/∂x = F'(y) und ∂F/∂t = v F'(y) mit y = x+vt.
Felder der Form F(x+vt) sind konstant längs der Bahnen x = – vt + const, d.h. die Regel (F-M)' gilt für alle Felder, bei denen der Zustand längs der einzelnen Bahnen x = – vt + const konstant bleibt.