Meyls «Herleitung einer Plasmawelle»
Gerhard W. Bruhn, TU Darmstadt
Einem Rundschreiben des Dr. med. P. Rothdach verdanke ich die Erinnerung an einen alten Fehlschluss des Herrn Meyl, den ich schon vergessen hatte. Der soll nun hier erneut zur Sprache kommen. Herr Rothdach glaubt zusammen mit dem Autor Meyl, hier habe Meyl aus seiner "Theorie" eine Plasmawellen-Gleichung hergeleitet, die für Langmuir-Wellen von Bedeutung sei.
Doch ich muss die hoffnungsvolle Anhängerschaft des Herrn Meyl abermals enttäuschen. Es liegt lediglich ein fehlerhafter Umgang mit einer Integrationskonstante vor, wie er nach mehrsemestriger Mathematik-Ausbildung bei Elektro-Ingenieuren eigentlich nicht mehr vorkommen dürfte. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Abschnitt 21.5 (wie auch anderere beanstandete Teile von [1]) "namhaften Universitätsprofessoren der Mathematik" zur Begutachtung vorgelegen haben könnte, obwohl Herr Meyl das gelegentlich, doch ohne Namensnennung, behauptet hat.
In Meyls Buch EMV 3 [1] heißt es auf S. 11: 21.5
Herleitung einer Plasmawelle
Der Verzicht auf die Gradientenbildung bei der Herleitung der homogenen
Wellengleichung ist gleichbedeutend mit einer Integration der Gleichung. Wir
haben daher unter bestimmten Umständen mit dem Auftreten einer
Integrationskonstanten zu rechnen.
Dies ist der Fall, wenn als Quelle des Feldes zusätzlich eine Raumladungsdichte ρel
auftritt, die nach der 4. Maxwell-Gleichung als Divergenz einer
dielektrischen Verschiebung D zu berücksichtigen ist (Tafel 21.4): div D = ρel, bzw.
mit der Materialbeziehung D =
ε E :
div E = ρel /ε ≡ –Δφ (21.8) Ergänzen
wir diesen Beitrag eventuell vorhandener Feldquellen, dann ergibt sich die
inhomogene skalare Wellengleichung:
Δφ = 1/c² ∂²φ/∂t²
– ρel /ε
(21.9)
Zu dieser Gleichungen sind Lösungen veröffentlicht<1>. Sie
haben dieselbe Form, wie die bekannten Dispersionsrelationen von
Langmuir-Wellen. Das sind Elektronen-Plasmawellen, also longitudinale
Wellenbewegungen verknüpft mit Langmuir-Schwingungen der Elektronendichte. Damit wäre der Beweis erbracht, dass Skalarwellen und longitudinal sich ausbreitende Stehwellen durch die Wellengleichung beschrieben werden und in ihr
enthalten sind. Dies gilt jedenfalls im Allgemeinen genau gleich wie im
speziellen Fall einer Plasmawelle, wie hier mathematisch abgeleitet werden konnte.
Gescannter Originaltext aus K. Meyl: Elektromagnetische
Umweltverträglichkeit Teil 3, S. 11
Mit diesem etwas ominösem Text meint Meyl folgendes:
Aus der zweiten Gleichung von
rot E = 0
und
grad div E = 1/c² ∂²E/∂t²
(21.4)
folgt durch Einsetzen von
E = – grad φ
(21.5)
und Vertauschen von grad mit den Zeitableitungen
zunächst
grad (div grad φ – 1/c² ∂²φ/∂t² ) = 0 .
Das besagt die räumliche Konstanz der hinter grad stehenden Klammer (...), die also demnach nur noch eine rein zeitabhängige
Größe χ(t) sein kann:
div grad φ – 1/c² ∂²φ/∂t²
= χ(t) .
χ(t) ist Meyls Integrationskonstante. Jetzt setzt Meyl kurzerhand
(1) χ(t)
= – ρel /ε ,
et voilà - hat er die Gleichung
div grad φ – 1/c² ∂²φ/∂t² = – ρel /ε ,
die man wegen div grad = Δ auch als
Δφ – 1/c² ∂²φ/∂t²
= – ρel /ε
(21.9)
schreiben kann. Fertig ist Meyls „Plasmawellengleichung“.
Was ist an dieser Meylschen „Herleitung“ zu beanstanden?
Nun, man könnte doch z.B. Meyls Gleichung (21.8) auf die schöne Gleichung (21.9) loslassen, also die nach Meyl ebenfalls gültige Gleichung
Δφ = – ρel /ε zur Anwendung bringen, warum nicht? Dann folgt nach Weglassen eines Faktors
(2)
∂²φ/∂t² = 0 .
Dieser einfachen Differentialgleichung müssten alle "Meylschen Langmuir-Wellen" ebenfalls genügen. Aber die allgemeine Lösung von
(2) ist bekannt. Sie hat die Form:
(3)
φ(x,t) = φ0(x) + t φ1(x) .
Stehende Wellen, wie sie etwa in Leuchtstoffröhren auftreten, wären hiermit gewiss nicht zu beschreiben.
Herr Langmuir wäre mit dieser "Vereinfachung" seiner Theorie sicher nicht sehr zufrieden gewesen.
Sein Ziel, Plasmawellen zu beschreiben, hat Meyl damit völlig verfehlt.
Worin besteht der Grund für diesen spektakulären Fehlschluss Meyls?
In der völlig ungegründeten Setzung χ(t) = – ρel /ε !
Denn damit wird wegen Meyls Gleichung (21.8) auch
div E unabhängig vom Ort angenommen, was z.B. gerade bei
stehenden Dichtewellen in einer Leuchtstoffröhre völlig unrealistisch ist:
(4) div E
= ρel /ε
= – χ(t).
Mit verhängnisvollen Folgen. Denn aus (4) folgt
durch Gradientenbildung
(5)
grad div E = – grad χ(t) = 0 .
Aber dann erhält man aus (21.9) auch
(6)
∂²E/∂t² = 0 als Folge der Meylschen Annahme. Mit anderen Worten: Meyls „Herleitung“ enthält mit
(1) versteckt folgende Annahmen:
(7a)
Die Ladungsdichte ρel ist unabhängig vom Ort: ρel = ρel(t) = – ε χ(t).
(7b)
Das Feld E ändert
sich nur „ortsfest“gemäß: ∂²E/∂t² = 0.
Die allgemeine Lösung von (6) hat bekanntlich die Form:
(8)
E(x,t) = E0(x) + t E1(x) .
(Stehende) Wellen sind mit (8) nicht darstellbar.
Meylsche Plasmawellen, d.h. Wellen der Ladungsdichte
ρ = ε div E , können allgemeiner als Lösungen
E von Meyls "Fundamentaler Feldgleichung" FFG
(9)
− c2 rot rot E
= Ett + (α+β) Et + αβ E
Die Bildung der Divergenz der FFG (9) liefert nach Multiplikation mit dem konstanten Faktor ε
(9') ρtt +(α+β) ρt + αβ ρ = 0 .
Aber Lösungen von (9') verhalten sich "ortsfest", sie haben die Ausbreitungsgeschwindigkeit Null, s. dazu [3].
Quellen
[1]
K. Meyl: Elektromagnetische
Umweltverträglichkeit Teil 3, INDEL 2003,
ISBN 3-9802
542-7-5
[2] G.W. Bruhn: Nichts dazu gelernt! Zu Meyl’s
neuem Buch EMV 3
http://www2.mathematik.tu-darmstadt.de/~bruhn/EMV3-Kritik.doc
[3] G.W. Bruhn: Meylsche Skalarwellen - ganz einfach
http://www2.mathematik.tu-darmstadt.de/~bruhn/Skalarwellen-einfach.htm