Meyls Transformationsgleichungen
Gerhard W. Bruhn, Technische Universität Darmstadt
In Abschnitt 27.8 seines Buches [1] entnimmt Meyl der "Lehrbuchphysik", ohne Beachtung des Kontextes, zwei vermeintliche "Transformationsgleichungen"
E = μ v × H , (27.3)
H = – ε v × E , (27.4)
(mit konstanten Materialkoeffizienten ε und μ). Meyl glaubt, dass diese Gleichungen auch für | v | = v ≠ c (= Lichtgeschwindigkeit) nichttrivial lösbar seien. Darauf gründet Meyl sowohl seine Spekulationen über super- und subluminale Skalarwellen, wie auch seine "Objektivitätstheorie", welche die Relativitätstheorie ersetzt - glaubt Meyl.
In Tafel 28.1 von [1] rechnet Meyl aus seinen "Transformationsgleichungen" (27.3-4) zunächst
E = v²/c²
E
(28.4)
aus, woraus er für seine "Relativgeschwindigkeit
v" auf
|v| = v = c (28.5)
schließt. Aus (28.4) ersieht man (nicht aber Meyl) sofort, dass für v ≠ c nur E = 0 möglich ist.
Meyl, der sich mehrfach öffentlich darauf berufen hat, seine Rechnungen seien von "namhaften Universitätsprofessoren der Mathematik" überprüft worden, nennt hier einen Namen: Auf S. 131 teilt Meyl mit, dass "sein Kollege von der Mathematik" Prof. Dr. H.-J- Runckel, Universität Ulm, ihn zu der nachfolgend beschriebenen Betrachtung ermutigt habe. Meyl führt, statt bei der eingangs beschriebenen eigenen Rechnung zu bleiben, in Tafel 28.2 für 0 ≤ v < c eine "Potenzreihenmethode" durch, die wir hier zwecks Aufdeckung des Denkfehlers im Detail nachprüfen wollen:
Meyl betrachtet einen gegen den Beobachter mit der konstanten Geschwindigkeit v bewegten "Träger eines elektrischen Feldes E0", wobei E0 senkrecht zu v angenommen wird. Nach Meyl hat E0 im Beobachtersystem gemäß (27.4) ein magnetisches Feld H0 zur Folge mit
(1) H0 = – ε v × E0.
H0 erzeugt nun seinerseits nach der 1. Transformationsgleichung (27.3) wieder ein elektrisches Feld
(2) E1 = μ v × H0,
Dieses erzeugt wie
oben ein weiteres magnetisches Feld
(3) H1 = – ε v × E1.
Durch Fortsetzen dieses Verfahrens erhält man eine Folge elektrischer Felder
E0, E1, E2, E3, . . .
und eine Folge magnetischer Felder
H0, H1, H2, H3, . . .
die sich zu zwei Summenfeldern
(4) E = E0 + E1 +
E2 + E3 + . . .
und
(5) H = H0 + H1 + H2 + H3 + . . .
überlagern. Aus den Gleichungen (1-2) erhält man durch Elimination von H0 die Beziehung
E1 = εμ v² E0 = v²/c² E0,
die sich wegen der Gleichheit der Formel auch auf alle weiteren Schritte ausdehnen lässt:
(6) En+1 = v²/c² En für n=0,1,2,… .
Analog hat man auch
(7) Hn+1 = v²/c² Hn für n=0,1,2,… .
Die Berücksichtigung der Formeln (6) und (7) ergibt für (4) und (5) mit q = v²/c²
(4') E = E0 (1 + q + q² + q³ + . . . ) = E0/(1 – q) = E0/(1 – v²/c²)
und analog
(5') H = H0 (1 + q + q² + q³ + . . . ) = H0/(1 - q) = H0/(1 - v²/c²)
wegen der Summenformel für geometrische Reihen
1 + q + q² + q³ + . . . = 1/(1 –q) für |q| < 1.
Somit gilt
E0 = (1 – v²/c²) E (28.13)
und analog dazu
H0 = (1 – v²/c²) H. (28.15')
Dabei ergibt sich aus Meyls Methode noch das Bestehen der Gleichung
(1) H0 = – ε v × E0,
woraus durch Division durch 1 – v²/c² auch
(6) H = – ε v × E (27.4)
folgt;
die zweite von Meyls Transformationsgleichungen (27.3-4) ist damit erfüllt.
Wie steht es mit der ersten Transformationsgleichung, mit (27.3)?
Dazu setzen wir (6) ( = (27.4) ) in die zu prüfende Gleichung (27.3) ein und erhalten, wie von Meyl bei (28.4) vorgerechnet, das Ergebnis
E = v²/c²
E
(28.4)
Diese Gleichung
ist für 0 < v < c nur erfüllt, wenn E
= 0 ist. (6) liefert dann auch H = 0.
Der ganze Umweg von Meyls "Potenzreihenmethode" diente also nur dazu, die Tatsache vergessen zu machen, dass zwei Transformationsformeln zu erfüllen sind, nicht nur eine. Beide zusammen lassen für 0 < v < c allein die triviale Lösung zu: (7) E = 0 und H = 0 . |
Meyls Fehler, der ja (4') und (5') ohne Einschränkung für die Lösung hält, besteht darin, dass er
vergessen hat, auch die erste Transformationsgleichung (27.3) zu erfüllen.
Damit sind in [1] sowohl Meyls Skalarwellen-Spekulationen für die Fälle v ≠ c in Abschnitt 27, wie auch seine gesamte "Objektivitätstheorie" in Abschnitt 28 ersatzlos weggebrochen, weil dann nur Nullfelder E = 0 und H = 0 möglich sind.
[1] K. Meyl: Elektromagnetische Umweltverträglichkeit Teil 3, INDEL 2003, ISBN 3-9802 542-7-5